Pflichtteil im Erbrecht - das müssen Sie wissen

Was man in seinem Leben erarbeitet hat, möchte man selbstverständlich auch gewissenhaft weitervererben. Doch auch bei Enterbung haben nahe Angehörige, hier Kinder, Ehegatten und Eltern des Erblassers, grundsätzlich ein Recht auf einen sogenannten Pflichtteil. Auf diese Mindestbeteiligung am Nachlass hat der Erblasser keine Entscheidungsbefugnis, sofern deutsches Recht zur Anwendung kommt. Der Pflichtteilsanspruch schränkt also zu einem gewissen Teil dessen Testierfreiheit ein.

Der Pflichtteil ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 2303 BGB) geregelt. Er stellt einen Anspruch auf Geldzahlung des Enterbten Pflichtteilsberechtigten gegen den tatsächlichen Erben dar.



Sie benötigen Hilfe von einem erfahrenen Anwalt für Erbrecht?

Jetzt Kontakt zu Fachanwalt Maik Hieke aufnehmen!


040 605906570


info@anwaltskanzlei-erbrecht.de






Begrenzter Personenkreis hat Anspruch auf Pflichtteil

Der Kreis der Pflichtteilsberechtigten ist klein. Er umfasst lediglich den Ehegatten sowie die Abkömmlinge des Erblassers, also seine Kinder, Enkel und Urenkel. Hierbei ist es gleichgültig, ob es sich um eheliche, uneheliche oder angenommene Kinder handelt. Diese sind allesamt Erben ersten Ordnung und damit gleichgestellt. Die Ehe oder die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft mit dem Ehepartner muss zu dem Zeitpunkt noch wirksam sein, indem der Erbfall eintritt. Zudem darf noch kein Scheidungsverfahren anhängig sein. Auch die Eltern können zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehören, allerdings nur, wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind.

Keinen Pflichtteilsanspruch haben die weiter entfernt verwandten Geschwister oder Onkel und Tanten.




Voraussetzungen für den Pflichtteilsanspruch

Gehört man nach der oben aufgeführten Auflistung zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten, müssen weitere Voraussetzungen erfüllt sein, um den Pflichtteil schließlich auch erfolgreich geltend machen zu können. Zunächst muss der Erbberechtigte enterbt worden sein. Dies kann durch eine testamentarische oder erbvertragliche Enterbung geschehen sein. In diesem Fall scheidet der Betreffende als (Mit-) Erbe aus. Sofern kein Testament oder Erbvertrag vorliegt, greift die gesetzliche Erbfolge ein. Damit würde der entsprechende Personenkreis kraft Gesetzes zu Erben. Der Anspruch entsteht also nur, wenn der Betreffende enterbt wurde. Außerdem darf der Pflichtteilsanspruch nicht verjährt sein. Auch darf kein Erb- oder Pflichtteilsverzicht zu Lebzeiten des Erblassers abgegeben worden sein.

Aber auch den Erben kann ein sogenannter Pflichtteilsergänzungsanspruch nach Regeln des Pflichtteilsrecht zustehen. Dies ist der Fall, wenn der verbleibende Anteil am Nachlass weniger als die Hälfte des gesetzlichen Anteils am gesamten Erbe umfasst.




So wird die Höhe der Pflichtteilsquote berechnet

Für die Ermittlung des rechtmäßigen Pflichtteils ist zunächst zu prüfen, mit welcher gesetzlichen Erbquote der Pflichtteilsberechtigte ohne die Enterbung am Nachlass beteiligt gewesen wäre. Der Pflichtteilsanspruch besteht gem. § 2303 BGB in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Mitberücksichtigt werden hierbei auch andere Pflichtteilsberechtigte, die ihr Erbe ausgeschlagen haben oder für erbunwürdig erklärt wurden. Lediglich die Erben, die einen Erbverzicht erklärt haben, werden bei der Bestimmung der Pflichtteilsquote nicht miteinberechnet, weil diese im Regelfall für diesen Verzicht eine Gegenleistung erhalten haben, welche den Wert des Nachlasses bereits vermindert hat.

Die konkrete Höhe des Anspruchs hängt letztlich davon ab, wie viele gesetzliche Miterben bestehen und welchen Wert der gesamte Nachlass hat.




So wird der gesetzliche Erbteil ermittelt

Auch bei der Ermittlung des für die Berechnung maßgeblichen Erbteils werden alle potenziellen gesetzlichen Erben berücksichtigt. Fiktiv muss man schließlich den gesetzlichen Erbteil der betroffenen Person feststellen. Ein Testament oder ein Erbvertrag spielen bei der Ermittlung des gesetzlichen Erbteils keine Rolle. Hierbei kommen einzig und allein die Regeln zur gesetzlichen Erbfolge zum Einsatz, die im Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 1924 ff. BGB) zu finden sind.

Um sich einen Überblick über die gesamte Erbmasse zu verschaffen, besteht nach § 2314 BGB ein Anspruch auf Auskunft gegenüber dem tatsächlichen Erben. Weigert sich dieser die Auskunft zu erteilen, kann er gerichtlich dazu gezwungen werden. Von der Auskunftspflicht umfasst sind alle Aktiva und Passiva des Nachlasses, insbesondere sämtliche Verträge und Schenkungen der letzten 10 Jahre des Erblassers müssen offengelegt werden. Über die Richtigkeit der Angaben kann man zum einen eine eidesstattliche Versicherung und zum anderen die Ausstellung eines notarischen Nachlassverzeichnisses verlangen. Bestehen Zweifel des Pflichtteilsberechtigten über Wertangaben des Erben können zudem einzelne Erbgegenstände von einem Gutachter bewertet werden.

Auf dieser Grundlage wird der Wert des gesamten Nachlasses durch die Gegenüberstellung von Vermögen und Schulden ermittelt. Anschließend wird anhand der Pflichtteilsquote der konkrete Zahlungsanspruch für den Pflichtteil berechnet.




Verjährungsfrist für den Pflichtteil

Der Pflichtteil kann nur eingeklagt werden, wenn der Anspruch noch nicht verjährt ist. Die Verjährungsfrist für den Pflichtteilsanspruch beträgt 3 Jahre ab dem Zeitpunkt, an dem Sie vom Tod des Erblassers erfahren. Unerheblich ist, wann er tatsächlich verstorben ist. Die Frist beginnt am Ende des entsprechenden Kalenderjahres. Dieselbe Verjährungsfrist gilt auch für den Pflichtteilsergänzungsanspruch.




Keine Geltendmachung des Pflichtteil zu Lebzeiten des Erblassers

Der Pflichtteil kann erst geltend gemacht werden, wenn der Erblasser verstorben ist. Vor dem Eintritt des Erbfalles entsteht der Pflichtteilsanspruch nicht. Möglich ist jedoch eine vorzeitige Einigung der Betroffenen. Der Erblasser ist nicht daran gehindert, den Pflichtteil ganz oder Teilweise bereits zu Lebzeiten an seine Kinder oder andere Berechtigte auszuzahlen. Diese Auszahlung vermindert allerdings einen späteren Pflichtteilsanspruch nach dem Tod des Erblassers oder schließt diesen vollständig aus.




Möglichkeiten zum Entzug des Pflichtteilsanspruchs

Eine komplette Verweigerung des Pflichtteils kann gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten nur in zwei Fällen geltend gemacht werden. Dies ist nur möglich, wenn das Erbe auf den Pflichtteil verzichtet oder das Erbe ausgeschlagen wurde und keine gesetzliche Regelung besteht, dass trotz der Erbausschlagung der Pflichtteilsanspruch fortbesteht. Der zweite Fall besteht, wenn der Berechtigte vom Gericht als erbunwürdig erklärt wird. Umstände diesbezüglich sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 2333 BGB) aufgezählt dies geschieht nur in engen Ausnahmefällen, etwa wenn er dem Erblasser oder einem anderen Pflichtteilsberechtigten nach dem Leben getrachtet hat.




Möglichkeiten zur Verminderung des Pflichtteils

Zum Schutz der Pflichtteilsberechtigten schließt das deutsche Erbrecht viele Möglichkeiten zur Umgehung oder Verminderung des Pflichtteils aus. Dennoch gibt es durchaus einige Strategien, die es einem zukünftigen Erblasser ermöglichen, dass der Pflichtteil für nahe Angehörige zumindest verringert wird.


Verminderung des Nachlasses durch den Erblasser selbst

Wer seinen Nachlass vermindern will, der kann dies durch einen exzessiven Lebensstil in der Zeit vor dem Tod erreichen. Insbesondere teure Reisen, Hobbys und Restaurantbesuche können mit der Zeit das vorhandene Vermögen erheblich verringern.


Verminderung des Nachlasses durch Schenkungen

Ein Beispiel hierfür ist die frühzeitige umfangreiche Schenkung, etwa von Immobilien oder anderen größeren Vermögenswerten zu Lebzeiten an Dritte. Denn größere Schenkungen kurz vor dem Erbfall werden bei der Ermittlung der Erbmasse und damit bei der Höhe des Pflichtteilsanspruchs mit berücksichtigt. Kleinere Schenkungen wie Geburtstagsgeschenke oder Aufmerksamkeiten für den Ehegatten in einem für den Erblasser üblichen Rahmen werden nicht berücksichtigt. Bei größeren Geschenken an den Ehegatten beginnt die 10-Jahresfrist jedoch erst mit der Auflösung der Ehe, beispielsweise durch den Erbfall.

Durch Schenkungen im Jahr des Erblassers sowie im Jahr davor wird die Erbmasse noch nicht reduziert, weil dadurch ein Pflichtteilsergänzungsanspruch ausgelöst wird. Die Schenkung wird für die Berechnung des Pflichtteils so behandelt, als wäre diese noch Teil der Erbmasse. Jedoch sinkt der Wert der Erbmasse mit jedem weiteren Jahr um 10 % des Wertes der Schenkung. Nach 10 Jahren wird die Schenkung für die Erbmasse nicht mehr berücksichtigt.


Verminderung des Pflichtteil durch Verkauf gegen Leibrente

Eine alternative zur Schenkung kann der Verkauf von Vermögensgegenständen wie Immobilien gegen eine Leibrente sein. Der Verkauf geschieht in diesen Fällen nicht gegen eine bestimmte Geldzahlung, sondern gegen eine festgelegte monatliche Leibrente, die bis zum Lebensende ausgezahlt wird.

Zu berücksichtigen ist hierbei jedoch, dass eine deutlich zu gering angesetzte Leibrente dazu führt, dass jedenfalls eine teilweise Schenkung angenommen wird. Wer etwa seine Villa im Alter von 85 Jahren kurz vor seinem Tod gegen eine Leibrente von 100 Euro monatlich veräußert wird damit den Pflichtteilsanspruch nicht wesentlich vermindern können.


Verminderung der Erbquote durch Adoption oder Ehe

Da die Berechnung der Erbquote davon abhängt, wie viele Erben vorhanden sind, kann durch die Verbreiterung des Kreises der Pflichtteilsberechtigten der Pflichtteilsanspruch erheblich vermindert werden. Wird ein weiteres Kind adoptiert, sinkt dadurch der gesetzliche Erbanspruch der übrigen Kinder. Das Gleiche gilt, wenn eine Ehe eingegangen wird. Denn auch dem Ehepartner steht ein Pflichtteilsanspruch zu.


Ausschluss durch Auswanderung oder Vermögensverlagerung

Nicht jedes Erbrecht der Welt kennt den Pflichtteilsanspruch. Es gibt zahlreiche Länder, in denen ein solcher Anspruch nicht besteht, etwa Irland, England, Australien oder Thailand. Wer seinen Lebensmittelpunkt in ein entsprechendes Land verlagert, der erreicht damit, dass das dortige Erbrecht zur Anwendung kommt. Allerdings können die Pflichtteilsberechtigten durch einen Gerichtsprozess in Deutschland geltend machten, dass diese Verlagerung rechtsmissbräuchlich geschah und Ihr Anspruch auf den Pflichtteil dennoch besteht. Jedoch können sich hierbei erhebliche Hürden für die Führung dieses Prozesses und der späteren Durchsetzung des Anspruchs ergeben.

Zudem sehen einige Länder wie beispielsweise die Türkei vor, dass bestimmte Vermögenswerte wie etwa Immobilien ihrem Erbrecht unterworfen werden, wenn diese dort belegen sind. Hierbei kommt es zu einer Nachlassspaltung, welche auch Auswirkungen auf den Pflichtteil hat.

Dies gilt jedoch nicht für alle Länder. Auch ist es möglich, dass wegen einer Ausnahmeregelung trotz der Vermögensverlagerung ins Ausland das deutsche Erbrecht zur Anwendung kommt. Daher sollten Sie sich hierzu von einem mit dem Recht der Erbschaft vertrauten Rechtsanwalt beraten lassen.




Pflichtteilsverzicht zu Lebzeiten des Erblassers

Wenn kein Pflichtteilsentziehungsgrund vorliegt, ist der sogenannte Pflichtteilsverzicht der sicherste Weg, um bereits zu Lebzeiten Pflichtteilsansprüche ungeliebter Erben auszuschließen. Jedoch wird man für diesen Verzicht regelmäßig eine entsprechende Gegenleistung anbieten müssen. Die Erfahrung in der Praxis hat gezeigt, dass der Pflichtteilsberechtigte in den meisten Fällen nur gegen eine Abfindung oder Gegenleistung bereit dazu ist, auf seine Ansprüche zu verzichten.

Insgesamt muss hierbei berücksichtigt werden, dass eine Schenkung oder eine Gegenleistung für einen Pflichtteilsverzicht grundsätzlich auch der Schenkungssteuer unterlegen ist.






Sie benötigen Hilfe von einem erfahrenen Anwalt für Erbrecht?

Jetzt Kontakt zu Fachanwalt Maik Hieke aufnehmen!


040 605906570


info@anwaltskanzlei-erbrecht.de



FAQ - Pflichtteil im Erbrecht



Was ist der Pflichtteil?

[aenderungsdatum]

Der Pflichtteil ist ein Anspruch des Berechtigten Enterbten gegen den Erben auf die Zahlung einer Geldsumme.



Wer ist pflichtteilsberechtigt?

[aenderungsdatum]

Pflichtteilsberechtigt sind die Abkömmlinge des Erblassers, also dessen Kinder und Enkel sowie der Ehepartner. Nur wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind, können auch die Eltern einen Anspruch auf den Pflichtteil haben.



Wie wird die Pflichtteilsquote berechnet?

[aenderungsdatum]

Der Pflichtteilsanspruch besteht in der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Die konkrete Höhe der Quote hängt davon ab, wie viele gesetzliche Miterben bestehen.

Die Höhe des Zahlungsanspruchs hängt zudem davon ab, welchen Wert der Nachlass umfasst.



Wie wird der Wert des Nachlasses ermittelt?

[aenderungsdatum]

Der tatsächliche Erbe ist dazu verpflichtet, eine Aufstellung aller Aktiva und Passiva des Nachlasses vorzunehmen. Von den Vermögenswerten werden dann die bestehenden Schulden abgezogen. Anhand dieses Wertes wird mit der Pflichtteilsquote der Zahlungsanspruch ermittelt.



Was ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch?

[aenderungsdatum]

Sofern der Erblasser umfangreiche Schenkungen kurz vor seinem Tod vorgenommen hat, kann der Pflichtteilsberechtigte einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Erben geltend machen. Hierbei wird der Wert der Schenkung so behandelt, als wäre dieser noch Teil der Erbmasse. Dadurch wird sichergestellt, dass sein Pflichtteilsanspruch nicht unterlaufen wird.



Wann verjährt der Anspruch auf den Pflichtteil und der Pflichtteilsergänzungsanspruch?

[aenderungsdatum]

Für den Pflichtteil gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren. Diese beginnt am Ende des Kalenderjahres, in dem der Berechtigte die Kenntnis vom Tod des Erblassers erhält.



Kann man den Pflichtteil entziehen?

[aenderungsdatum]

Ja, dies ist aber nur in engen Ausnahmefällen möglich, etwa wenn die Erbunwürdigkeit des Berechtigten durch ein Gericht festgestellt wird, weil er den Erblasser oder einen anderen nahen Angehörigen nach dem Leben trachtet. Die Fälle der Erbunwürdigkeit sind abschließend in § 2339 BGB aufgeführt.

Der Pflichtteilsanspruch entfällt auch, wenn der Berechtigte auf diesen verzichtet oder das Erbe ausschlägt und Ausnahmefall zur Aufrechterhaltung des Pflichtteilsanspruchs besteht.



Kann man den Pflichtteilsanspruch durch Schenkung kurz vor dem Tod vermindern?

[aenderungsdatum]

Nein, Schenkungen können den Pflichtteil nur vermindern, wenn diese bereits frühzeitig vorgenommen werden. Denn im Erbrecht ist vorgesehen, dass Schenkungen in den letzten 10 Jahren vor dem Tod des Erblassers einen Pflichtteilsergänzungsanspruch auslösen und daher bei der Berechnung des Pflichtteils mit berücksichtigt werden.



Wie kann man den Pflichtteilsanspruch der ungeliebten Erben vermindern?

[aenderungsdatum]

Dies kann durch die Verminderung des Nachlasses, etwa durch einen verschwenderischen Lebensstil oder die Verminderung der Erbquote erreicht werden. Die Erbquote sinkt mit der Erweiterung der Anzahl der Pflichtteilsberechtigten. Dies kann durch Adoption oder die Eingehung einer Ehe erreicht werden. Auch die Verlagerung von Vermögen oder ein Verkauf gegen eine Leibrente kann den Pflichtteil schmälern.